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Am liebsten ist das Pferd ohne Decke

Am liebsten ist das Pferd ohne Decke

Seit einigen Tagen ist es schon wieder soweit…kaum fallen die Temperaturen, sieht man die ersten Pferde mit Decken drauf.

Wir alle im Shop sind da ziemlich einer Meinung: all unsere Pferde (ca. 6) sind nicht eingedeckt und ihnen geht es blendend. Da wir aber wissen, dass das Eindecken ein heikles Thema ist und sich da die Geister scheiden, wollen wir das ganze einmal wissenschaftlich hinterfragen und vielleicht können wir ja den ein oder anderen am Ende überzeugen 😉.

Starten wir mit einem FunFact: wusstet ihr, dass es Decken erst seit ca. 50 Jahren gibt? Das finden wir höchst erstaunlich, wenn man bedenkt, was es heutzutage alles für Decken gibt: Stalldecken, Winterdecken, Übergangsdecken, Unterdecken, Überdecken, Weidedecken, Regendecken, Abschwitzdecken, Fliegendecken, Führanlagendecken, Ausreitdecken, Schrittdecken, Nierendecken, Therapiedecken, Fohlendecken …

Physiologie des Pferdes

Das Pferd ist heutzutage in fast allen Teilen der Welt zu Hause, was mitunter an seiner hervorragenden Anpassungsfähigkeit liegt. Als Steppentiere haben Pferde eine hervorragende Thermoregulation: sie können im Vergleich zu vielen anderen Haustieren sehr gut mit Temperaturschwankungen umgehen. Pferde bedienen sich an vier Abwehr-Werkzeugen, die bei schwankenden Temperaturen zum Einsatz kommen: Haut, Fell, Arterien und Schweißdrüsen.

In der Haut besitzen sie zahllose Nervenenden, die über den ganzen Körper verteilt sind und wie ein Thermometer funktionieren. Talgdrüsen in der Haut produzieren permanent eine Fettschicht, welche sich um Haut und Haar legt. Die Haut des Pferdes ist extrem dick und immer kälter als das Körperinnere und somit eine perfekte Isolationsschicht.

Dann haben sie natürlich ihr Fell, welches bekanntlich im Winter länger und dichter ist als im Sommer. Es ist allerdings ein Irrglaube, dass sich Felllänge und -dichte nach den Temperaturen richtet. Es orientiert sich stattdessen an der Tageslichtlänge und ist bspw. in einem warmen Winter genauso lang wie in einem extrem kalten. Diesen Mechanismus nennt man auch Photoperiodismus. Natürlich passen sich die Pferde trotzdem an die verschiedenen Klimata an. So ist das Winterfell vom Isländer ein ganz anderes als das der iberischen Rassen. Die Wirbel im Fell, sowie das Langhaar sind dafür da das Wasser von empfindlichen Körperregionen wegzuleiten. Wenn das Pferd nun bei zunehmender Kälte die Körpertemperatur regulieren muss, stellt es die Haare mit Hilfe der Haarbalgmuskeln auf und bildet somit ein isolierendes Luftpolster (Piloerektion).

Pferd mit Winterfell

Dieses Bild zeigt, wie sich die Haare bei Regen wie Schuppen übereinander legen und somit das Wasser super abfließen kann. Die Haut wird nicht nass.

Bei starker Kälte kann es sein, dass Pferde anfangen zu zittern, damit regen sie die Blutzirkulation an. Gleichzeitig verengen sich die unter der Haut liegenden Arterien, um den Blutfluss zu verringern und somit auch den Wärmeverlust.

Die Schweißdrüsen sind hauptsächlich zum Abkühlen da, um mit der abgesonderten Flüssigkeit den Körper zu kühlen.

Diese Fähigkeiten besitzen alle Pferde unabhängig von der Rasse und konnten auch nach jahrelanger Domestikation nicht „weggezüchtet“ werden.

Jedoch kann diese Fähigkeit (ab-)trainiert werden. So wird sie in Offenställen mit ständigen Klimareizen und ohne Decke am besten trainiert. Dauerhaftes Eindecken sowie das Scheren führen zu einer langfristigen Schädigung der Thermoregulation und zu einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens. Folgeerkrankungen sind auch da nicht selten: Cushing oder chronischer Husten

Und wieso können Pferde das besser als Menschen? Die Körperoberfläche ist gemessen am Körpergewicht beim Menschen über 20 mal so groß wie beim Pferd. Das heißt: der Mensch friert 20 mal schneller als das Pferd.

Die Wohlfühltemperatur von Pferden liegt zwischen 5 und 15°C wohingegen die des Menschen bei 23 bis 27°C. Erst ab -15°C muss das Pferd den Stoffwechsel ankurbeln, um mehr Wärme zu produzieren. Das bedeutet: während der Mensch beginnt zu frieren, fühlt sich das Pferd noch lange wohl. Eine Studie aus Norwegen und Schweden hat ergeben, dass die meisten Pferdebesitzer ab ca. 10°C eindecken, also deutlich unter der Wohlfühltemperatur des Menschen aber genauso deutlich im Wohlfühlbereich der Pferde!

Nachteile des Eindeckens

Deckt man bei zu warmen Temperaturen ein steigt die Körpertemperatur unter der Decke an und dies kann zu Kreislaufproblemen und sogar zu Koliken führen. Wasserdichte Decken haben neben der Erwärmung auch den Nachteil, dass das Hautinfektionsrisiko steigt, weil die Hautatmung und der Feuchtigkeitsaustausch gehemmt werden. Daher kommt es nicht selten zu Pilzinfektionen. Auch das Eindecken direkt nach einer Trainingseinheit führt zunächst zu einer Erhöhung der Temperatur und verlangsamt den Erholungsprozess. Damit dieser Wärmeanstieg verhindert werden kann, muss zu jeder Temperatur die richtige Decke gewählt werden. Nun ist aber leider so, dass die Temperaturen den Tag über schwanken und gerade an Frühlings- und Herbsttage kalt starten dann die Temperaturen in der Sonne oft auf 20°C kommen. So wurden an solchen Tagen unter Decken schon Temperaturen von bis zu 40°C gemessen. Während wir an solchen Tagen vielleicht das falsche Outfit für’s Büro gewählt haben und dann einfach eine Schicht ausziehen, haben Pferde diese Möglichkeit nicht.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass das Eindecken in die Thermoregulation eingreift und diese dadurch gestört wird, wird gleichzeitig das Immunsystem mit beeinträchtigt. Neueste Studien haben ergeben, dass Eindecken mitunter eine Ursache für Stoffwechselkrankheiten wie das Equine Cushing Syndrom sein kann.

Pferd mit Schnee auf dem Rücken

Das Pferd hat eine so gut funktionierende Isolationsschicht, dass der Schnee auf dem Rücken des Pferdes nicht schmilzt - es spürt ihn also gar nicht.

Weiterhin sind die Pferde unter den Decken einem permanenten Druck ausgesetzt. Der größte Druckpunkt liegt meist auf dem Widerrist, der aber nicht viel Muskelfleisch als Puffer hat und wo viele wichtige Nerven langlaufen. Ihr habt bestimmt schon öfter Pferde mit weißen Haaren am Widerrist gesehen, neben einem nicht passenden Sattel sind auch oft nicht richtig sitzende Decken schuld. Der Druck auf das Haarkleid verhindert, dass das Pferd die Haare mit Hilfe der Haarbalgmuskeln aufstellen kann. Diese werden dadurch geschwächt und müssen nach einer langen Deckenperiode erst wieder trainiert werden.

Weitere Nachteile sind im Komfortverhalten zu beobachten: das Wälzen hat nicht mehr den gewünschten Effekt, gegenseitige Fellpflege ist nur noch bedingt machbar und oft werden die Pferde beim Liegen/Schlafen eingeschränkt.

Gründe für’s Eindecken

Natürlich gibt es Fälle, wo eine Decke angebracht sein kann, z.B.:

  1. Kranke und alte Pferde

Wenn das Immunsystem geschwächt ist und das Pferd nicht mehr genügend Energie aufbringen kann, um sich zu wärmen, kann eine Decke durch aus nützlich sein. Man sollte aber trotzdem immer individuell entscheiden.

  1. Ekzemer

Bei Ekzemern kann eine Decke im Sommer sehr hilfreich sein, bevor sie leiden müssen.

  1. Pferde, die im hohen Sport laufen

Wenn wir uns im Leistungssport befinden, macht das Scheren Sinn und das bedingt automatisch eine Decke. Denn diese Pferde haben keine Isolationsschicht mehr und können sich nicht mehr selber warmhalten.

  1. Abschwitzdecken

Gerne legen wir nach dem Training Abschwitzdecken auf die Pferde, aber der Einsatz sollte gut gewählt werden. Legt sie nicht sofort drauf, sondert lasst die Pferde zunächst mind. 10 Minuten im Schritt abkühlen. Wenn ihr danach eine Abschwitzdecke rauf legt, achtet darauf, dass ihr sie abnehmt, bevor sie so vollgesogen ist, dass sie die Nässe wieder zurück ans Pferd abgibt. Lieber eine dünne leichte Decke, die das nasse Fell nicht runterdrückt. Und dann an dieser Stelle eine klare Produktempfehlung unsererseits: die DriRug, die ihr bei uns im Shop findet, besteht aus einem ganz leichten dünnen Material, welches die Feuchtigkeit super aufnimmt und direkt weitergibt. Die Pferde trocknen nachweislich schneller.

DriRug

eine Decke mit Pfiff: ohne viel Schnick Schnack, aber durch und durch mit Funktion!

Und dann gibt es da noch weitere von Pferdebesitzern genannte Gründe:

  1. Bei zu festem Rücken / Rückenproblemen

Diesen Grund hört man häufig und natürlich gibt es Pferde, die im Winter zu einem festeren Rücken neigen als bei wärmeren Temperaturen. Aber es gibt einige gute Hilfsmittel, wie man die Decke umgehen kann:

    • Länger warm reiten
    • Moorkissen von Bad Aiblinger vor dem Reiten (Anwendung und Videos findet ihr in unserem Blogbeitrag oder bei Instagram)
    • Rückenwärmer von Back on Track
  1. Wenn ich friere, friert mein Pferd auch. (Ich denke, diesen Punkt haben wir in Kapitel 2 schon widerlegt 😉)

Was kann ich tun?

Wenn ich mich dazu entschieden habe mein Pferd nicht einzudecken, gibt es einige Dinge zu beachten.

Wenn ein Pferd länger als 4 Stunden im Auslauf oder auf der Wiese steht, sollte ihm unabhängig von der Jahreszeit ein Witterungsschutz zur Verfügung stehen. Andersherum sollte ihm im Winter auch mal die Gelegenheit gegeben werden sich in der Sonne aufzuwärmen. Pferde sind Frischluftler und deswegen ist es auch in der Boxenhaltung wichtig, dass immer Frischluft vorhanden ist. Untersuchungen haben ergeben, dass sich schwitzende Pferde gerne in Luftströme stellen, um schneller zu trocknen. Solche Luftströme werden oft mit Zugluft verwechselt. Die Definition von Zugluft: ein Luftstrom der punktuell (z.B. durch ein Loch im Fenster) auf einen kleinen Teil des Körpers auftrifft, der diesen dann nicht thermoregulieren kann.

Wenn es in die Minusgrade geht, erhöht sich der Energiebedarf des Pferdes. Deswegen empfiehlt es sich mehr Heu im Winter zu füttern.

Jegliches Putzen und Waschen zerstört die wichtige Fettschicht im Fell, so dass nur so oft wie nötig geputzt und gewaschen werden sollte.

Mein ganz persönliches und „hartes“ Fazit

Wer bis hierhin gekommen ist, ist vielleicht auch noch für mein Fazit bereit 😉

Wir haben zu Hause eine Reitanlage mit Boxenhaltung wie auch Offenstallhaltung. Jedes Jahr beobachte ich das Eindeckverhalten unserer Einsteller und ich muss sagen, dass das Eindecken in der Boxenhaltung häufiger geworden ist und im Offenstall tatsächlich weniger. Im Offenstall kann man super Pferde und ihr Verhalten beobachten und was mir im Winter besonders auffällt ist zum einen das gemeinsame Sonnenbaden am Morgen und wenn ich da unter den Decken fühle, kommt es schon mal vor, dass sie schwitzen.

Zum anderen schlafen und wälzen Pferde sich unglaublich gerne im Schnee. Oft liegen sie über eine halbe Stunde im Schnee. Darüber hinaus habe ich an Decken immer kritisiert, dass sie bauchfrei sind. Auch wenn das heutzutage modern ist, habe ich mich immer gefragt, ob das für Pferde nicht verwirrend ist, wenn alles warm eingepackt ist und der Wind über den Bauch in die Decke zieht. Da ich aus der Landwirtschaft komme, wirft sich mir auch immer die Frage auf, was denn unsere Milchkühe im Winter machen? Ich habe noch nie eine Kuh mit Decke gesehen und auch keine Kuh, die erfroren ist. Und diese Tiere müssen wesentlich mehr leisten als unsere Pferde. Und was macht das Pferd von der Geburt bis 3-jährig? Eingedeckte Jährlinge – nie gesehen.

Pferd wälzt sich im Schnee

Ein Pferd, dass sichtlich die Kälte und den Schnee genießt.

Meine Ansicht zum Thema Eindecken ist eindeutig – ich habe nicht eine einzige Winterdecke. Dementsprechend forsch und mutig war ich auch in diesem Artikel, aber vielleicht kommt ja der ein oder andere ins Grübeln. Falls ihr vorhabt auf Deckenlos umzusteigen und eure Pferde jahrelang mit Decke unterwegs waren: gestaltet den Umstietg langsam, denn das Pferd muss seine Thermoregulation wieder anschmeißen. Fangt zunächst mit einer dünneren Decke an und „steigert“ dies von Zeit zu Zeit. Mit Sicherheit gibt es auch immer wieder begründete Ausnahmen, aber wir sollten uns überlegen, ob es wirklich nötig ist. Dabei muss man seine Stallkollegen ausblenden, die einen vielleicht unter Druck setzen oder versuchen zu beeinflussen. Auch, dass wir an dem Bild eines eleganten Sportpferdes festhalten wollen. Das Ziel von uns allen ist doch das Wohl des Pferdes und das fühlt sich am wohlsten mit langem dichten Winterfell und Matsche oder Schnee auf dem Rücken 😊

Literatur

Zeitler-Feicht, Margit (2001): Handbuch Pferdeverhalten – Ursachen, Therapie und Prophylaxe von Problemverhalten

Ullstein, Hanns jun. (1996): Natürliche Pferdehaltung

Hodgess, K. et al (2018): To rug or not to rug: potential impacts on equine welfare. Duchy College, Stoke Cliimsland, Callington

Bícego, K. C. et al (2007): Physiology of temperature regulation: comparative aspects.

Hartmann, E. et al (2017): Management of horses with focus on blanketing and clipping practices reported by members of the Swedish and Norwegian equestrian community. Department of Animal Environment and Health, Swedish University of Agricultural Sciences, Uppsaka, Sweden.

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