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Kryotherapie - was Kälte alles heilen kann!

Kryotherapie - was Kälte alles heilen kann!


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Kryotherapie - was Kälte alles heilen kann!

Wer kennt das nicht, nach einer anstrengenden, aber erfolgreichen Trainingseinheit erhält man als Strafe am Tag danach einen grandiosen Muskelkater. Oder man hat sich gestoßen und bekommt als Dank ein schönes Hämatom und eine schmerzhafte Schwellung dazu. In solchen Situationen gibt es eine sehr effektive therapeutische Maßnahme, die oft unterschätzt wird, die aber von allen angewendet werden kann: Kryotherapie (auf Deutsch Kältetherapie)

Kryo“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „kalt“. Die Kryotherapie gehört zu den sogenannten Thermotherapien und wird schon seit der Antike angewendet. Dabei setzt man Kälte ein, um die verletzten Stellen abzukühlen.

Auch bei Pferden kann sie erfolgreich eingesetzt werden. Die Kryotherapie kann das Ausmaß einer Verletzung deutlich minimieren und wir wollen euch in diesem Blogbeitrag einmal erklären, wie und wann man sie anwendet.

Kältetherapie

Der Einsatzbereich ist sehr vielfältig:

  • Bei akuten Verletzungen wie bei Sehnen-, Bänder-, und Muskelverletzungen, akute Gelenksentzündungen und Frakturen (Prellungen, Verstauchungen, Zerrungen)
  • Bei chronischen Erkrankungen am Bewegungsapparat (alte Fesselträger- und Sehnenschäden, Gelenksarthrose, Narbengewebe, Muskelverspannungen)
  •  Zum Vorbeugen (nach intensiven Trainingseinheiten oder Wettkämpfen, um Mikrotraumen zu verhindern)

Bevor wir aber nun auf die genaue Anwendung eingehen, wollen wir einen kurzen Exkurs in die Entstehung von Verletzungen machen.

Was passiert im Gewebe bei Überbelastung oder einer akuten Verletzung?

Bei Überbelastungen, z.B. durch ein zu intensives Training können kleine Risse/Verletzungen in dem Muskelgewebe entstehen. Dabei werden Gewebe und Gefäße zerstört und Blut und Gewebeflüssigkeit fließt in das Muskelgewebe hinein. Eine Schwellung entsteht und das ist der bekannte Muskelkater.

Ähnlich verhält es sich bei einer akuten Verletzung, z.B. durch einen Tritt. Ist das Pferd innerlich verletzt, fließt Blut in das Gewebe und es entstehen ebenfalls Schwellungen und Hämatome. Dies führt zu Schmerzen, Entzündungen und eventuell Heilungsverzögerungen. Diese Heilungsverzögerungen können zu Verklebungen und Narbenbildungen im Gewebe führen. Dabei wird das Gewebe weniger durchblutet und dehnfähig und neue Verletzungen können später schnell wieder entstehen. Diese Heilungsverzögerungen, Entzündungen und Schwellungen können wir gut mit Kälte behandeln und vorbeugen.

Ist das Training zu intensiv, kann es zu Muskelkater und damit zu Gewebsverletzungen kommen

Was passiert im Gewebe wenn wir Kälte anbringen?

Obwohl die Mechanismen im Gewebe durch Kühlung immer noch nicht vollständig erklärbar sind (Schaser et al., 2006), kann man bei der Kryo- bzw. Eistherapie im wesentlichen folgende Effekte bei einer akuten Verletzung erreichen:

Verminderung der Durchblutung:

In den ersten fünf bis zehn Minuten werden bei einer lokalen Kryotherapie die oberflächlich liegenden Gefäße enger. Der Körper möchte einen Wärmeverlust verhindern, daher verengt er die Arterien, um zu verhindern, dass das Blut abkühlt. Die Durchblutung unter dem Eis wird dadurch herabgesetzt, was bei einer akuten Verletzung wichtig ist, um Einlagerungen von Flüssigkeit (Bildung von Ödemen) zu verringern. Wichtig dabei ist, so schnell wie möglich nach der Verletzung mit der Kryotherapie zu beginnen (Bleakley et al., 2004; Merrick et al., 1993). Leider nimmt der Kühleffekt mit der Gewebetiefe ab (Merrick et al.2003). Daher muss man bei Verletzungen in tieferen Schichten (wie beim Muskelgewebe) das Eis länger wirken lassen (Deal et al, 2002; Kerr et al, 1998; Zemke et al, 1998).

Hemmung von Entzündungen:

Eine längerfristige Kryotherapie von ein bis zwei Stunden vermindert nicht nur die Durchblutung, sondern blockt zudem Stoffwechsel- und Entzündungsprozesse in dem betreffenden Bereich. Bei einer wissenschaftlichen Studie an der Universität Queensland hat man Kryotherapie erfolgreich bei Hufrehe eingesetzt. Dabei wurden die Gliedmaßen unterhalb des Karpal- und Sprunggelenks bis zu 72 Stunden dauerhaft gekühlt, um die entzündlichen Prozesse zu stoppen. Erstaunlicherweise haben die Weichteile unterhalb des Karpal- und Sprunggelenks keinen Schaden davon bekommen.

Linderung von Schmerzen:

Mit zunehmender Abkühlung wird das Gewebe immer unempfindlicher gegenüber Schmerzen - das subjektive Schmerzempfinden verringert sich. Es kommt zur lokalen Schmerzlinderung, wenn das Gewebe auf 10 bis 15 Grad Celsius gekühlt wird oder wenn die Hauttemperatur auf unter 13,6 °C sinkt (Meeusen & Lievens, 1986; Bugaj, 1975). Dieser schmerzstillende Effekt ist möglicherweise das Ergebnis einer Verringerung der Nervenleitgeschwindigkeit (Bugaj 1975; McMeeken et al., 1984). 

Änderung der Muskelspannung (Muskeltonus):
Obwohl sich die Muskelspannung in den ersten Sekunden der Kryotherapie kurzzeitig erhöht, nimmt sie bei einer Wirkdauer von 15 bis 20 Minuten zunehmend ab. Dies kann ebenfalls zur Verringerung von Schmerzen und Muskelverspannungen beitragen. Also, obwohl es nicht so angenehm und logisch klingt, kann man mit kälte Muskelverspannungen lösen.

Die Behandlungsdauer bzw. der richtige Zeitpunkt bei akuten Verletzungen (die ersten 72 Stunden):

Bei einer akuten Verletzung ist das Ziel, die Blutzufuhr in das geschädigte Gewebe zu stoppen- das bedeutet, je schneller Du nach einer Verletzung mit der Eisbehandlung beginnst, desto besser (Kleven, 2017)!

Da die Pferde ab Karpal- und Sprunggelenk kein Muskelgewebe haben, funktioniert der Stoffwechsel in dem unteren Bereich der Gliedmaßen anders als bei uns Menschen (sonst könnte das Pferd im Winter nicht ewig in Schnee und Matsche stehen ;-)). Deshalb müssen wir die Kryotherapie in zwei verschiedene Anwendungsbereiche aufteilen:

1)   Oberkörper (wo viel Muskelgewebe zu finden ist)

2)   Untere Gliedmaße (wo hauptsächlich Bänder und Sehnen zu finden sind)

Oberkörper (oberhalb Karpal- & Sprunggelenk):

Die Anwendung der Kryotherapie bei akuten Weichteilverletzungen ist wie folgt zu empfehlen:

Wenn möglich eine leichte Dauerkompression mit Eis und einer Bandage erzeugen, um die Blutung zusätzlich durch Druck zu stoppen. Zunächst für 10-15 Minuten (abhängig von der tiefe der Verletzung) dann 20-30 Minuten Pause. Diesen Rhythmus für die nächsten 48 Stunden mehrmals und so oft wie möglich durchführen.

Untere Gliedmaße (unterhalb Karpal und Sprunggelenk):

Wenn möglich auch hier eine leichte Dauerkompression anlegen (um die Blutung durch Druck zu stoppen). Zunächst für 20-30 Minuten dann 20-30 Minuten Pause. Auch diesen Rhythmus für die nächsten 48 Stunden mehrmals wiederholen.

 

Die Behandlungsdauer bzw. der richtige Zeitpunkt bei subakuten/chronischen Verletzungen:

Wie oben erwähnt, kann man auch bei subakuten und chronischen Schäden weiterhin erfolgreich mit Kälte behandeln. Nun empfehlen sich allerdings andere Behandlungszeiten

Oberkörper (oberhalb Karpal- & Sprunggelenks):

Meine Erfahrung ist, dass du in dieser Phase die Eistherapie am besten nur 1 bis 3 Minuten anwendest und danach 5 Minuten Pause. Diesen Rhythmus wiederholst du 4 bis 8 Mal. Durch die kürzere Behandlungszeit gibt man dem Muskel einen kleinen Impuls zur Kontraktion und damit wird die Durchblutung im Gewebe gesteigert. Wir wollen neue Nährstoffe zu dem verletzten Areal hin- und alle Abfallstoffe wegtransportieren. Gut für diese Behandlung sind die sogenannte Eislollies. Du füllst einen Papiertasse mit Wasser, frierst es ein und für die Benutzung schneidest du das Papier zur Hälfte weg. Damit kannst du dann kleine Massage ausführen und deine Hand wird durch das Papier geschützt.

Untere Gliedmaße (unterhalb Karpal und Sprunggelenk):

An den unteren Extremitäten kannst du die Behandlung durchführen wie in der akuten Phase, da der Stoffwechsel hier anders ist als im Muskelgewebe.

Was passiert im Körper, wenn man Kälte einsetzt:

Lokale Vasokonstriktion (Gefäßverengung)

Durch die Gewebekühlung kommt es zu einer anfänglichen Gefäßverengung der Blutgefäße, was zu einer Abnahme des lokalen Blutvolumens führt. Dieser Mechanismus kann auch dazu beitragen, die Blutung zu reduzieren (Ramey, 1999).

Lokale Vasodilatation (Gefäßerweiterung)

Wenn Kälte lange genug angewendet wird, um die sympathische Nervenübertragung zu verringern, kann es zu einer Gefäßerweiterung kommen (Turner und Tomlinson 2000).

Daher ist es wichtig, das Eis bei akuten Verletzungen nicht dauerhaft anzulegen. Es könnte passieren, dass noch mehr Blut ins kaputte Gewebe hineinfließt. Aber wie oben beschrieben, wenn man im subakuten Stadium mit Eis arbeitet, ist es wichtig die Zeit einzuhalten, um Dauerschäden in Gewebe zu vermeiden.

Entzündungshemmende (Anti-inflammatorische) Effekte

Es wird vermutet, dass die Kryotherapie den Entzündungsprozess reduziert, indem sie den Verlust von Flüssigkeit, Proteinen und Entzündungsmediatoren aus verletzten Gefäßen verringert, was die Hämatombildung begrenzt und die Schwellung verringert (Henninger, 1994).

Welches „Eis“ ist am besten?

Es gibt ein paar wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit verschiedener Kryotherapie- Arten /Formen wie zerstoßenes Eis, Gelkissen (z.B. die blauen Kühlkissen aus der Apotheke), Gelkissen gefüllt mit Paraffinöl (z.B. Kühlkissen von Stübben) und Kältesprays verglichen haben.

Tatsächlich kommt bis jetzt nichts an das natürliche zerstoßene Eis heran. Es zeigt die beste Leistung und bewirkt einen Temperaturabfall von 11,3 C° nach 60 Minuten. Das Gewebe wird sehr schnell herunter gekühlt, ohne dass es zu kalt wird, da das Eis schmilzt und abfließt. Ich würde bei allen Formen der Kältetherapie immer ein nasses Handtuch zwischen Haut und Eis verwenden, um Verletzungen zu vermeiden. Man weiß auch, dass die Feuchtigkeit im Handtuch die Kälte tiefer ins Gewebe eindringen lässt.

Unter den Kunst-Eis-Techniken schneidet das Gelkissen mit Paraffinöl am besten ab. Das Paraffinöl sorgt dafür, dass die Kälte langsam und lange abgegeben wird und hält gleichzeitig das Kissen weich und geschmeidig. In unserem Shop findet ihr das Kryo-Kompakt-Kühlkissen von Stübben. Mit Hilfe der dazugehörigen Bandage kann man das Kissen gut am Bein anbringen.

Kühlsprays, wie das Seccu Cool haben nur eine kurzfristige Wirkung und verlieren schnell den kühlenden Effekt, so dass sie bei Verletzungen nur bedingt einsetzbar sind. Sie sind aber sehr nach einem Training zu empfehlen!

Gelpackungen sind gut für eine kurzfristige Kühlung, aber auch sie verlieren schnell ihre Kältewirkung und speichern dann vermehrt die Körperwärme. Diese entstehende Wärme bewirkt dann genau das Gegenteil und steigert die Durchblutung (Kleven, 2017).

Und was ist mit dem guten kalten Wasser direkt aus dem Schlauch? Geht ja am schnellsten und ist am einfachsten. Wenn direkt nach einer Verletzung kein Eis im Stall vorhanden, ist kaltes Wasser aus dem Schlauch sehr hilfreich. Wichtig hier ist, dass das Wasser nicht gespritzt wird, sondern ohne Druck aus dem Schlauch kommt und über die behandelnde Stelle fließt. Damit hat man auch eine Lymphdrainage. Allerdings lässt auch hier der kühlende Effekt schnell nach, so dass es wirklich nur eine Notlösung ist.

Unsere Kühlprodukte im Shop (vlnr): das Kühlkissen Kryo-Kompakt von Stübben, das Kühlspray Seccu Cool und das Kühlgel von Terrahipp

Kryotherapie und Kompression

Kompression in eine akute Phase in Verbindung mit Kryotherapie wird befürwortet, um den äußeren Druck auf das Gewebe zu erhöhen und die Ödembildung zu verhindern (Merrick et al., 1993) Wissenschaftler fanden heraus, dass Eis und Kompression einen größeren Kühleffekt im Vergleich zu Eis allein haben (Merrick et al, 1993; Janwantanakul 2006). Wenn also möglich, sollte man akute Verletzungen auch immer mit zusätzlichem Druck behandeln.

Wo darfst du keine Kryotherapie anwenden:

  • offene Wunden
  • Durchblutungsstörungen
  • Überempfindlichkeit gegen Kälte
  • Herzerkrankungen
  • Verletzungen des peripheren Nervensystems

Mehr Infos über die Wirkung von physikalischen Behandlungsmethoden findest du in meinem Buch: „Biomechanik und Physiotherapie für Pferde“ FN-Verlag, Warendorf

 

 

Quellen

Bleakley, C.M., McDonough, S.M., MacAuley, D.C., 2004 The use of ice in the treatment of acute soft tissue injury. A systematic review of randomised controlled trials. The American Journal of Sports Medicine 32: 251-261

Enwemeka, C.S., Allen, C., Avila, P., Bina, J., Konrade, J., Munns, S., 2002 Soft tissue thermodynamics before, during, and after cold pack therapy. Medicine and Science in Sports and Exercise 34 (1) 45-50

Henninger, R., 1994 Treatment of superficial digital flexor tendonitis. Veterinary Clinics of North America: Equine Practice: 10:2 409-423

Ivers, T., 1987 Cryotherapy: An in-depth study. Equine Practice. 9 (2): 17-19

Janwantanakul, P., 2006 Cold pack/skin interface temperature during ice treatment with various levels of compression

Kerr, K.M., Daley, L., Booth, L., 1998 Guidelines for the management of soft tissue (musculoskeletal) injury with protection, rest, ice, compression and elevation (PRICE) during the first 72 hours. Chartered Society of Physiotherapy, London

Kleven, H. (2017) “Biomechanik und Physiotherapie für Pferde“ FN-Verlag Warendorf 4.Auflage, s. 189-191

McMaster, W.C., Liddle, S., Waugh, T.R., 1978 Laboratory evaluation of various cold therapy modalities. The American Journal of Sports Medicine. 6 (5) : 291-294

McMeeken, J., Lewis, M., Cocks, S., 1984 Effects of cooling with simulated ice on skin temperature and nerve conduction velocity. The Australian Journal of Physiotherapy. 30 (4): 111-114

Meeusen, R., Lievens, P., 1986 The use of cryotherapy in sports injuries. Sports Med 3: 398- 414

Pollitt, C.C., Van Eps, A.W., 2004 Prolonged, continuous distal limb cryotherapy in the horse. Equine Veterinary Journal 36 (3): 216-220

Ramey, D., 1999 Cold therapy in the horse. Equine Practice 21 (1): 19-23

Schaser, K.D., Disch, A.C., Stover, J.F., Lauffer, A., Bail, H.J., Mittlmeier, T., 2007 Prolonged superficial local cryotherapy attenuates microcirculatory impairment, regional inflammation, and muscle necrosis after closed soft tissue injury in rats. The American Journal of Sports Medicine. 35 (1): 93-102

Turner, T.A., Tomlinson, J 2000 Effects of topical modalities on skin circulation in the horse. World Equine Veterinary Review. 5: 12: 26-29

Van Eps, A.W., Pollitt, C.C., 2004 Equine laminitis: cryotherapy reduces the severity of the acute lesion. Equine Veterinary Journal. 36 (3): 255-260

Worster, A.A., Gaughan, E.M., Hoskinson, J.J., Sargeant, J., Erb, J.H., 2000 Effects of external thermal manipulation on laminar temperature and perfusion scintigraphy of the equine digit. New Zealand Veterinary Journal 48: 111-116 

Zachariassen K.E., 1991 Hypothermia and cellular physiology. Artic Med Res. 50: 13-17

 

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