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Die richtige Verschnallung des Nasenriemens und die Folgen von zu engen Nasenriemen

Die richtige Verschnallung des Nasenriemens und die Folgen von zu engen Nasenriemen


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Die richtige Verschnallung des Nasenriemens und die Folgen von zu engen Nasenriemen

Nun haben wir in den letzten Beiträgen viel über die Anatomie des Pferdekopfes und die verschiedenen Nasenriemen gelernt und doch sind wir noch lange nicht am Ende. Es gibt noch so viele wichtige Themen und noch mehr interessante Studien, aber alles der Reihe nach. Mit diesem Artikel schließen wir zunächst (!) einmal das Kapitel Nasenriemen ab, um in den darauffolgenden Artikeln auf die restlichen Teile einer Trense einzugehen (Genickstück, Stirnriemen, Backenstück, Gebiss).

Welcher Nasenriemen für mein Pferd?

Welcher Nasenriemen für dein Pferd geeignet ist, lässt sich schwer pauschal sagen, da man individuell entscheiden sollte. Der Charakter, die Rittigkeit und die Anatomie spielen dabei eine wichtige Rolle. Hinsichtlich der Anatomie gibt es viele Aspekte zu berücksichtigen, wie zum Beispiel ob das Pferd einen schmalen oder breiten Nasenrücken hat, ob es eine kurze oder lange Maulspalte hat, ist das Gesicht eher lang oder kurz und ist die Stirn breit oder schmal. Bei einem Pferd mit kurzer Maulspalte zum Beispiel sind die hannoverschen Modelle oder deren Abwandlungen schwieriger anzupassen, da oft der Nasenriemen zu weit unten sitzt. Pferde, die sich nicht richtig an das Gebiss herantrauen und dazu neigen sich zu verkriechen, sind oft gute Kandidaten für das System der Nirak (PS of Sweden) oder Equitus (Schockemöhle Sports). Wir unterstützen euch bei der Suche nach der richtigen Trense und bieten eine Vor- wie auch Nachkaufberatung an. Mit Hilfe von Fotos und Videos schlagen wir Modelle vor und überprüfen, ob sie richtig passen oder ob ggf. Teile ausgetauscht werden müssen.

Pferd mit kurzer MaulspaltePferd mit langer Maulspalte

wichtig bei der Trensenauswahl: hat mein Pferd eine kurze Maulspalte (li) oder eine lange Maulspalte (re)?

Die richtige Verschnallung

Damit das Pferd sich wohlfühlt und die Leistung erbringen kann, die wir von ihm erwarten, ist eine richtig sitzende Ausrüstung das A und O. In dem Blogpost „Die Anatomie des Pferdekopfes in Hinblick auf die Trense“ haben wir die empfindlichen Bereiche, die unter einer Trense liegen, aufgezeigt. Zu hoher Druck durch falsch sitzende oder verschnallte Riemen in diesen Bereichen führen schnell zu Verhaltensänderungen und Unwohlsein. Doch wie verschnalle ich den Nasenriemen nun korrekt? Jedem sollte die sogenannte „2-Finger-Regel“ ein Begriff sein und tatsächlich gibt es sie auch schon seit 1956. Sie bedeutet, dass ein Nasenriemen nur so eng verschnallt werden sollte, dass noch 2 Finger darunter Platz haben. Jedoch wurde nie klar festgelegt, wo und wie die 2 Finger unter den Nasenriemen gehören. Im Ausrüstungskatalog der FN (2021) steht:

„Bspw. finden bei einem korrekt verschnallten Hannoverschen Reithalfter zwei, bei einem Englischen Reithalfter ein Finger Platz zwischen Nasenrücken und Reithalfter.“

Da Finger aber leider von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind, können sie schnell das Messergebnis verfälschen und sind deswegen kein geeignetes Messgerät.

Die International Society for Equitation Science (ISES) hat im November 2019 ein “Position Statement on Restrictive Nosebands” herausgebracht und damit die Verschnallung von Nasenriemen (neu) definiert: ein Nasenriemen ist dann zu eng, wenn zwischen Nasenriemen und Nasenknochen weniger als zwei Finger passen. Er ist richtig verschnallt, wenn mindestens zwei Finger dazwischen passen. Um dies einheitlich messen zu können, haben sie den ISES Taper Gauge entwickelt. Ein Messinstrument, welches zwischen Nasenriemen und Nasenbein geschoben wird und anzeigt, wie viel Platz dazwischen ist (0 Finger, 1 Finger, 1,5 Finger, 2 Finger).

Taper Gauge von ISESwie man mit dem Taper Gauge misst

Das Taper Gauge hat zwei Markierungen: die erste steht für einen Finger Platz und die zweite für zwei Finger Platz. Das zweite Bild zeigt, wie das Taper Gauge angewendet wird und dass dieser Nasenriemen locker genug  verschnallt ist.

Die Folgen von zu engen Nasenriemen

In einer Studie mit 750 Pferden aus Belgien, Irland und England wurde die Verschnallung der Nasenriemen überprüft. Bei erschreckenden 44% kam man nicht einmal mit einem Finger unter den Nasenriemen, bei 7% mit 0,5 Fingern, bei 23% passte ein Finger unter den Nasenriemen, bei 19% 1,5 Finger und nur bei 7 % passten die vorgesehenen zwei Finger unter den Riemen. Darüber hinaus haben sie auch die verschiedenen Nasenriemen untersucht. Am meisten wurde der englisch kombinierte Nasenriemen verwendet und dieser war jeweils signifikant enger verschnallt als der englische, der dropped Nasenriemen oder das Micklem.

Wir sind uns einig darüber, dass ein Finger definitiv zu wenig Platz bedeutet, aber reichen zwei Finger? Und warum werden Nasenriemen zu eng verschnallt?

Die Trense ist das beste Mittel, um das Pferd zu kontrollieren. Das Pferd reagiert im Nasen- und Maulbereich sehr empfindlich, so dass man mit Hilfe von Nasenriemen und Gebissen versucht viel Einfluss zu nehmen. Durch einen engeren Nasenriemen kommen Zügelhilfen wesentlich direkter an. Gleichzeitig wird das Maul verschlossen und damit auch verhindert, dass das Pferd die Zunge rausstreckt. In Dressurprüfungen werden somit mögliche Strafpunkte vermieden. Doch welche Folgen hat das (langfristig) für das Pferd?

  1.  Das Pferd ist nicht mehr in der Lage seinen (Unter-)kiefer zu entspannen. Das führt zum einen zu Frustration und demnach zu Stress, was mit einer eindeutigen Minderung des Wohlbefindens einhergeht
  2. Wenn der Kiefer nicht entspannt ist, hat das Folgen für die gesamte Biomechanik
  3. Das Pferd ist oftmals nicht mehr in der Lage richtig zu kauen, schlucken, lecken, etc. Die Folgen sind die gleichen wie in 1.
  4. Die Wangen werden gegen die Zähne gedrückt und das kann zu Verletzungen der Mundschleimhaut führen
  5. Gefäße, Nerven und Muskeln können abgeklemmt werden
  6. Es kann zu chronischen Veränderungen am Nasenbein und am Unterkiefer kommen

Ein zu eng verschnallter Nasenriemen

auf diesem Bild ist deutlich zu erkennen, dass der Nasenriemen zu eng verschnallt ist: Schwellungen und hängende Oberlippe deuten darauf hin

In einer Studie aus 2016 wurde untersucht, ob es zudem einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten, der Augentemperatur und der Herzfrequenz des Pferdes und der Enge des Nasenriemens gibt. Sie haben herausgefunden, dass bei Pferden ohne Platz unter dem Nasenriemen die Herzfrequenz (HF) und auch Augentemperatur im Training deutlich angestiegen ist. So lag die HF im Training bei 46 bpm während sie bei Pferden mit Platz für zwei Finger unter dem Nasenriemen bei 38 bpm lag. Ebenso haben die Pferde mit engeren Nasenriemen in der Trainingsphase wesentlich weniger gekaut als unmittelbar davor und danach. Darüber hinaus wurde auch das Gähnverhalten beobachtet. Hier war auffällig, dass einige Testpferde unmittelbar nach der Trainingseinheit und nachdem dem die Trense abgenommen wurde, gegähnt haben. Tatsächlich ist Gähnen von hohem Interesse für Wissenschaftler, da es durch leichten Stress und negative emotionale Zustände hervorgerufen werden kann. Es wird vermutet, dass es eine Art Bewältigungsmechanismus ist, um Stress oder Druck, der durch die Trense entstanden ist, abzubauen.

In einer weiteren Studie aus 2020 befassten sich mehrere Forscher aus verschiedenen Ländern mit Veränderungen der Nasenbeine und Unterkiefer durch Nasenriemen. Bei den 144 untersuchten Pferden wurde folgendes festgestellt:

  • Bei über 33% der Pferde wurde röntgenologisch eine Verdünnung des Nasenbeins festgestellt
  • Über 80% hatten eine fühlbare Desposition des Nasenbeins
  • Bei über 20% wurde röntgenologisch eine Desposition des Unterkiefers festgestellt

Veränderungen am NasenbeinVeränderungen am Nasenbein (Röntgenbild)

Deutliche sichtbare Veränderungen am Nasenbein, wahrscheinlich hervorgerufen durch einen zu engen Nasenriemen.

Damit konnten viele Forscher beweisen, dass zu enge Nasenriemen negative Auswirkungen auf den Körper und die Psyche haben können.

Nasenriemen sind zu eng, wenn sie das natürliche Verhalten des Pferdes verhindern, Stress hervorrufen und somit das Wohlbefinden des Pferdes beeinträchtigt wird. Erst, wenn der Nasenriemen locker genug ist, kann das Pferd Komfortverhalten zeigen und der Reiter hat die Möglichkeit korrektes Reiten zu demonstrieren.

Braucht mein Pferd ein Nasenriemen?

Nun könnte man nach all den Informationen meinen, dass man doch am besten den Nasenriemen beim Pferd weglässt, jedoch hat er durchaus seine Daseinsberechtigung:

Durch die Zügelkräfte entsteht zunächst Druck auf der Zunge und auf das Genick. Der Nasenriemen sorgt dann dafür, dass das Pferd nicht diesen Druck allein mit seinem Unterkiefer abfangen muss. Er wird mit auf die Nase übertragen. Es gilt: Umso mehr Druckpunkte, desto besser wir der Druck verteilt und umso angenehmer wird es für das Pferd. Zusätzlich haben Forscher herausgefunden, dass die Verletzungen am Maul ohne Nasenriemen höher waren. Schlussendlich kann man also sagen, dass zu fest nicht gut ist und zu lose bzw. gar kein Nasenriemen auch nicht. Die Trense bzw. die gesamte Ausrüstung sollte das Pferd in seinem Verhalten und seinen Bedürfnissen so wenig wie möglich einschränken.

Literatur

Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN) (2021): LPO Ausrüstungskatalog Disziplinen: Dressur, Springen, Vielseitigkeit. Warendorf

Fenner K., Yoon S., White P., Starling M., McGreevy P. (2016): The Effect of Noseband Tightening on Horses’ Behavior, Eye Temperature and Cardiac Responses. PloS ONE 11(5): e0154179. Doi:10.1371/journal.pone.

ISES (2019): Position Statement on Restrictive Nosebands

Murray, R., Guire, R., Fisher M., Fairfax, V. (2015): A Bridle Designed to Avoid Peak Pressure Locations Under the Headpiece and Noseband Is Associated With More Uniform Pressure and Increased Carpal and Tarsal Flexion, Compared With the Horse's Usual Bridle. Journal of Equine Veterinary Science Volume 35, Issues 11–12, November–December 2015, Pages 947-955

Pérez-Manrique L., León-Pérez K., Zamora-Sánchez E., Davies S., Ober C., Wilson B. and McGreevy P. (2020): Prevalence and Distribution of Lesions in the Nasal Bones and Mandibles of a Sample of 144 Riding Horses

Quick, Jessica S., Warren-Smith, Amanda K. (2009): Preliminary investigations of horses’ (Equus caballus) responses to different bridles during foundation training. Faculty of Rural Management, University of Sydney.

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